Frauen brauchen Netzwerke und Mentoren
Um im Unternehmen weiterzukommen
Frau Dittgen, wie viele Frauen arbeiten in Ihrem Unternehmen?
Unsere Belegschaft zählt im Durchschnitt etwa fünf Prozent Frauen - in manchen Funktionen haben wir mehr, in anderen weniger Frauen. Frauen in Führungspositionen gibt es bei dittgen auf Gruppenleiterebene. Bis vor kurzem hatten wir auch eine Bauingenieurin im Team, die wir besonders gefördert haben. Grundsätzlich ist es aber eher schwierig, Frauen ins Team zu holen, da sich die Begeisterung für typische Männerberufe in Grenzen hält. Dies zeigt sich unter anderem auch bei der Gewinnung neuer Auszubildender: Wir bilden jedes Jahr Straßenbauer aus und versuchen, auch junge Frauen für diese Ausbildung zu begeistern. Im Zuge dessen haben wir schon mehrere Initiativen gestartet, unter anderem haben wir umfassend für diesen Ausbildungsberuf geworben, auch online. Doch leider ohne Erfolg: Am Ende hatten wir trotzdem keine einzige Bewerbung einer jungen Frau erhalten.
Was glauben Sie, woran liegt das?
Typische Männerberufe wie der des Straßenbauers sind körperlich sehr anstrengend. Aber darüber hinaus könnte es auch daran liegen, dass es Frauen im Team vor Ort schwerer haben und man ihnen diese Arbeit nicht zutraut. Solch eine Ansicht muss man definitiv beobachten und die Hintergründe erfragen: Wird eine männliche Nachwuchskraft, die sich am Anfang ähnlich schwer tut wie eine Frau, genauso abgelehnt oder traut man einer Frau einfach von Anfang an weniger zu als einem Mann? Oder stört eine Frau einfach das "Gleichgewicht" des Teams, das sonst nur aus Männern besteht? Darüber hinaus beobachten wir aber seit einiger Zeit noch eine andere spannende Entwicklung: Bei typischen Männerberufen, die körperlich weniger fordernd sind wie zum Beispiel Industriekaufleute oder Bauzeichner, holen Frauen im Gegensatz zu den Männern rasant auf und schneiden hier auch meist besser ab.
Was denken Sie sind die Erfolgsfaktoren für Frauen, um im Unternehmen aufzusteigen?
Netzwerke und gute Mentoren. Netzwerke, weil es enorm wichtig ist mitzubekommen, was um mich herum passiert - sowohl im Unternehmen wie auch in der Region. Hier kann ich Frauen nur raten, sich zusammenzuschließen. Persönlich finde ich es schwierig, wenn man sich auf reine Frauenzirkel beschränkt und man unter sich bleibt. Wichtig ist auch, dass man die Nähe zu Menschen sucht, die mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert sind. Nur weil man unter Frauen ist, heißt noch nicht, dass man auch immer Gemeinsamkeiten teilt. Persönlich bevorzuge ich gemischte Runden, da man so einfach vielfältige und zahlreiche - männliche wie weiblich - Ansichten zusammenführen kann. Mentoren sind wichtig, um sich Verhaltensweisen abzuschauen, aber auch um sich auszutauschen und um in Netzwerke aufgenommen zu werden.
Frau Dittgen, haben Sie in Ihrer 40-jährigen Laufbahn an der Unternehmensspitze schon Situationen erlebt, in denen Sie den Eindruck hatten, dass Sie als Frau schlechter behandelt wurden oder man Ihnen weniger zugetraut hat?
Als ich vor 40 Jahren die Firmenleitung übernahm, bekam ich von meiner Bank mitgeteilt, dass sie zusätzliche Sicherheiten für meinen Kredit benötige, da ich eine Frau sei. Damals wäre unser Unternehmen daran fast zugrunde gegangen. Zum Glück hat mir eine andere Bank dann den benötigten Kredit gewährt.
Dies ist zwar lange her, aber in meinem beruflichen Umfeld beobachte ich heutzutage gelegentlich immer noch ähnliche Begebenheiten. Ich habe sogar von Fällen gehört, wo "Männer der alten Schule" sich geweigert haben, mit Frauen zu verhandeln. Oder es wird in Besprechungen nicht gerne gesehen, wenn man als Frau das Wort ergreift und sich kritisch äußert. Als Frau wird man auch heutzutage in meiner Branche immer noch als etwas Besonderes wahrgenommen - "besonders" aber leider nicht im positiven Sinne, sondern Frauen werden als störend betrachtet, als jemand, der "hier nicht reingehört".
Ein anderes Vorkommnis hat sich zugetragen, als eine neue Mitarbeiterin, die als Landschaftsgärtnerin bei uns angefangen hatte, auch bei Regenwetter gearbeitet hat. Scheinbar wurde das als unkollegial empfunden, da die männlichen Kollegen in der Regel schon beim ersten Regentropfen die Baustelle verlassen. Der Mitarbeiterin wurden im Anschluss die Autoreifen durchstochen. Im Umgang mit Frauen weiß man sich scheinbar nicht anders zu helfen. Gott sei Dank hat sich die neue Mitarbeiterin dadurch nicht einschüchtern lassen.
Was raten Sie Frauen, die sich innerhalb einer Männerdomäne wie der Bauwirtschaft behaupten wollen?
Man benötigt am Anfang einen guten Mentor, der einen auch einmal schützt und protegiert. Die Erfahrung habe ich selbst zum Beispiel auch mit einer Mitarbeiterin gemacht. Sie wurde mir als sehr fähige Mitarbeiterin empfohlen. Am Anfang war sie unsicher und hatte vielleicht Angst davor, zu weit zu gehen und man ihr dann Steine in den Weg legen könnte. Mit der Zeit hat sie gemerkt, dass ich ihr sehr viel zutraue und sie hat den Raum bekommen, sich zu entfalten. Heute hat sie sich im wahrsten Sinne des Wortes "freigeschwommen", was nur möglich war, weil sie die breite Rückendeckung in unserem Unternehmen gespürt hat. Ich wäre froh, mehr solcher Frauen im Team zu haben.
Frau Dittgen, wir bedanken uns ganz herzlich für das interessante Interview und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und Mut bei Ihrem Engagement für Chancengleichheit!