So geht digital menschlich
Mit anderen Augen - eine weitere Geschichte aus dem Leben
Mitte Juli 2015 titelte ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung (SZ, 15. Juli 2015, Nr. 160, Seite 22) ‚mit anderen Augen‘.
Beschrieben wurde die konkrete Situation des alleinlebenden, erblindeten Christian, der die Medikamentenpackungen und deren Inhalt versehentlich vertauscht hatte. Um auf Nummer sicher zu gehen und um die Verwechslung wieder rückgängig zu machen, schaltet Christian sein Handy ein. Mit der App ‚Be my Eyes‘ kann er, ein wahrer Fan von digitalen Anwendungen, sehen.
Mit fremden Augen sehen
Denn am anderen Ende der Leitung ist ein Sehender, der sich auch auf der App registriert hat. Egal ob ganz in der Nähe von Christian oder auf einem anderen Kontinent. Per Videofunktion hat der sehende Teilnehmer dann für einen kurzen Moment Einblick in die Welt von Christian und kann ihm sofort sagen, welche Packung welches Medikament enthalten muss oder welcher Knopf auf dem Klingelbrett der richtige für den gesuchten Namen ist.
Software oder menschliche Hilfe
Es gibt bereits zahlreiche digitale Hilfsmittel, die blinden oder hörgeschädigten Menschen das Leben vereinfachen können. So auch Voice Over, der Vorlesemodus, der die Nutzung eines Handys überhaupt erst möglich macht. Oder auch Blindsquare, das die Daten der Standort-App Foursquare nutzt. In diesen Fällen ist es eine Software, die dem Menschen hilft, der Unterstützung in der täglichen Lebensbewältigung brauchen. ‚Be my Eyes‘ unterscheidet sich da, denn es sind Menschen die anderen Menschen helfen. Die digitale Anwendung basiert somit auf Vertrauen und menschlicher Beziehung. Sicherlich ist hier einzuwerfen, dass nicht jeder Sehgeschädigte sich in sein privates Umfeld blicken lassen möchte. Klar gilt auch der Einwand, dass man sich ja via Whatsapp und einem Foto an eine Person seines Vertrauens wenden kann. Aber auch hier muss erst mal die Hürde genommen werden, dass der Sehgeschädigte auch das richtige fotografiert und der Sehende den Gegenstand richtig erkennt.
Aus dem eigenen Bedürfnis geboren
Weltweit nutzen bereits 250 000 Menschen die App. Sie ist kostenfrei und finanziert sich durch Spenden. Entwickelt hat sie ein sehbehinderter, ehemaliger Schreiner aus Dänemark, dessen Hobby App-Anwendungen sind. Unterstützt wurde er dabei von einem freiwilligen Team. Heute denken die Macher leise darüber nach, die App gegen eine Downloadgebühr anzubieten, so dass die Spenden in die nächsten Entwicklungsschritte fließen können.